Ich bin ein hilfsbereiter Mensch und wenn ich auf meinem Weg jemanden sehe der aussieht als ginge es ihm nicht gut, dann halte ich an und frage nach.
So auch heute, ich war mit dem Fahrrad unterwegs nach Hause und mir fiel bei dem Geschäft bei uns um die Ecke, ein älterer Mann auf, der sich an den Regalen vor dem Laden fest hielt um zum Eingang zu gelangen.
Erst auf den zweiten Blick erkannte ich, dass ich ihn kenne.
Ich hielt an und fragte nach, ob es ihm gut gehe. Er antwortete, dass ihm manchmal etwas schwindlig sei. Er müsse nur zwei Flaschen holen.
Er sah wirklich nicht gut aus, bleich im Gesicht und kraftlos.
Er erkannte mich nicht und ich bot ihm meine Hilfe an.
"Ich kann dir die zwei Flaschen holen".
"Ja, mach das, einen Liter Appenzeller und eine Flasche Whisky".
Mein Erstaunen war groß, echt jetzt? Dafür quält er sich in das Geschäft?
Er streckte mir seine Stofftasche entgegen und ich nahm sie an mich.
Ohne lange darüber nachzudenken ging ich in den Laden und holte die zwei Flaschen.
An der Kasse wartete er auf mich und gab mir eine Hunderternote, damit ich bezahlen konnte.
An meinem Arm führte ich ihn danach nach draußen.
"Weißt du nicht mehr wer ich bin"?
Er sah mich an und ich sah förmlich, wie es ihm dämmerte.
"Du bist die Tochter von Martha".
"Ja".
Er sagte einen Moment nichts mehr und wir gingen zu seinem Auto.
"Leg mir die Tasche auf den Beifahrersitz".
Als ich die Tasche hingelegt hatte, sah er mich an und sagte: "Danke vielmals".
Dann fuhr er davon.
Diese Aktion hinterließ bei mir einen fahlen Beigeschmack, weil ich es traurig fand, dass ein Mann, der schon weit über achtzig Jahre alt ist, sich für zwei Flaschen Alkohol in großer Hitze in ein Geschäft schleppt.
Weil dieser Mann in seinem gesundheitlichen Zustand ganz offensichtlich kein Auto mehr fahren sollte und vor allem, weil ich spürte, dass er sich vor mir schämte, denn er hatte sich jahrelang unfair mir gegenüber verhalten.
Wenn dir jemand weh getan hat, dann vergib ihm, auch, wenn du nicht vergessen kannst was er dir angetan hat.
Vor allem jedoch, vergib dir selbst, dass du zu viel Vertrauen hattest und dass du die Hoffnung hattest, dass sich die Dinge verbessern würden.
So wirst du frei von Hass und Rache, frei von deiner Vergangenheit.
In deinem Herzen sollte kein Platz sein für Hass. Du verdienst es nicht darunter zu leiden.
Zu vergeben heißt nicht zu vergessen.
Führe ein gutes Leben und zeige so denjenigen, die dich verletzt haben, wie ihre Taten dir geholfen haben dich zu entwickeln, zu wachsen und weiterzugehen.
Alles gute für dich R.
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